„Hauptstraße und Kleine Straße, das war alles, was es gab – und den großen Markt natürlich. Der Rest waren winzige kopfsteingepflasterte, bucklige Gassen und Straßenstummel […]. Eine schöne Stadt war es also, streng genommen nicht, aber sie hatte die altväterliche gemütliche Ruhe.“ (Auszug aus „Kalle Blomquist lebt gefährlich“)
Auch wenn fast alle Geschichten Astrid Lindgrens an fiktiven Orten und in oft nicht näher benannten Kleinstädten spielen, so haben sie doch alle eine, genauer gesagt zwei Inspirationsquellen: Vimmerby und das ehemals vor den Toren der Stadt gelegene Näs. Diese beiden Orte, die mittlerweile zu einer Stadt zusammengewachsen sind, besuchen wir heute.

Vimmerby – das Herz Smålands
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Vimmerby gilt als eine der ältesten Städte Schwedens, auch wenn das Gründungsjahr nicht bekannt ist. Besiedelt ist das Gebiet im Herzen Smålands mindestens seit der Jungsteinzeit (also seit mehr als 8000 Jahren). Am Kreuzungspunkt zweier wichtiger Handelsstraßen erlebte sie schon im frühen Mittelalter eine Blütezeit. Im Verlauf wurde Vimmerby mehrmals abgebrannt (meist von den Dänen) und verwüstet. Zuletzt zerstörte 1821 eine Feuersbrunst zweidrittel der Stadt. Heute lebt Vimmerby vor allem vom Tourismus, der hauptsächlich auf einer Person fußt: Astrid Lindgren.
Mit dem kleinen, beschaulichen Städtchen, wie Astrid Lindgren es aus ihren Kindertagen kannte, hat Vimmerby heute allerdings nicht mehr viel gemein. Außer dem Stora Torget (großen Marktplatz), der immer noch das Herz der Kleinstadt bildet und tatsächlich für Groß und Klein einiges zu bieten hat, und der Hauptstraße Storgatan, die doch eher verwaist an diesem Samstagnachmittag daliegt, hat die Stadt selbst nicht viel zu bieten. Die Bauweise ist sehr durchmischt und die vielen 1960er und 1970er Jahre Bauten stören das Stadtbild. Nur hier und da blitzt der alte Charme der Vimmerbys auf.

Näs – Mittelpunkt Astrid Lindgrens
Nach einem kurzen Abstecher in die Hauptkirche Vimmerbys machen wir uns auf den Weg „raus aus der Stadt“ nach Näs. Der Hof, auf dem Astrid Anna Emilia Ericsson am 14. November 1907 geboren wurde, liegt eine gute Viertel Stunde Fußmarsch vom Stora Torget entfernt. Ihr Elternhaus sowie das 1920 neugebaute Wohnhaus der Familie Ericson, alle Wirtschaftsgebäude und das Pfarrhaus Näs erwarben Astrid und ihr Bruder Gunnar Ende der 1960er Jahre (zuvor war es lediglich gepachtet). Ihr Elternhaus gestaltete Astrid Lindgren so um, wie sie es aus ihren Kindertagen kannte, und nutzte es gleichzeitig als „Ferienhaus“, wenn sie nach Näs kam.

Heute ist Näs ein großes Ausstellungszentrum, in dem man der weltberühmten Autorin sehr nah kommt. Die Dauerausstellung „Astrid Lindgren und die Kraft des Erzählens“ zeichnet auf liebevolle Weise die verschiedenen Lebenskapitel nach: Von der Kindheit, in der die kleine Astrid zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einer ärmlichen Küche das erste Märchen ihres Lebens hört, über weitere prägende Erfahrungen bis hin zur einer der meistgelesenen Kinderbuchautorinnen der Welt.

Sonderausstellung und erzählende Gärten
Daneben finden immer wieder Sonderausstellungen statt. In diesem Sommer widmet sie sich dem Buch „Mio, mein Mio“, die es allerdings nur in Schwedisch gibt. Umgeben werden die Ausstellungsräume von den sog. „erzählenden Gärten“. Diese sind der småländischen Natur, die der Autorin so am Herzen lag, nachempfunden und widmen sich speziellen Themen, die mit ihren Werken zusammenhängen. Gleichzeitig laden sie zum Spielen, Verweilen und Picknicken ein.

Wir wollten eigentlich „nur mal kurz durchsehen“. Doch Näs zieht uns in seinen Bann und wir bleiben, bis sich die Tore für die Besucher schließen. Von uns gibt es eine ganz dicke Empfehlung für diesen Ort und jeden, der daran interessiert ist, mehr über Astrid Lindgren und „ihre Welt“ zu erfahren (sogar auf Deutsch). Auch wenn ich schon so viel über sie gelesen und gesehen habe, hat dieser Besuch mich abermals und erneut fasziniert, was für eine wunderbare, unvergleichliche Frau Astrid Lindgren war. Sie war ihrer Zeit so weit voraus. Sie war eine Kämpferin. Und eigentlich kann sie nur als Vorbild für alle dienen.